Die Bundeswehr rüstet für Operationen im Europäischen Nordmeer auf, um russische Kriegsschiffe aus dem Atlantik fernzuhalten.
Während sich die Völker mit dem Coronavirus auseinandersetzen müssen, treiben die Militaristen in aller Stille ihre Kriegsspiele weiter voran. Es ist nur noch eine Frage der Zeit wann es zu einer Auseinandersetzung kommt. Die Waffen sind in Position gebracht.
Fakten:
Am 15. Dez. erhielt die USA von Russland einen Vertragsentwurf über Sicherheitsgarantien zwischen der Nato und Russland überreicht.. Kernpunkt ist: keine Osterweiterung der Nato und keine militärischen Aktionen des Paktes in der Ukraine. Am 16. Dez. steigerten führende EU-Politiker ihre Kampagne weiter gegen Russland indem sie sagten: natürlich wollen die Russen Krieg. Eine weitere Steigerung am 20. Dez. : Litauens Präsident Gitanas Nauseda behauptet, sie hätten das Gleichgewicht in der Region verloren. So jedenfalls die Nachrichtenagentur Interfax-Ukraine. Von Litauen wird ein klarer Aktionsplan der westlichen Staaten gefordert Sie sollen ihre militärischen Fähigkeiten stärken. Die demonstrative Reise Verteidigungsministerin Christine Lambrechts von der SPD nach Litauen zum Besuch der dort stationierten Bundeswehrsoldaten spricht Bände. Bild am Sonntag: „Natürlich ist Russland der Aggressor“. Zwar heißt es dann, wir müssen alle Möglichkeiten ausschöpfen, um eine Eskalation zu stoppen.
Um die Kontinuität in der weiteren Aufrüstung nicht zu unterbrechen hat in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause 2021 die alte Bundesregierung noch schnell den Kauf von fünf Flugzeugen des Typs Boeing P-8A Poseidon zugestimmt; hinzu kommt, dass die Deutsche Marine auch neue U-Boote beschafft; sie wären geeignet, in der „GUIK Gap“ oder den angrenzenden Gewässern russische U-Boote zu jagen. Auch dieses Vorhaben hat der Haushaltsausschuss des Bundestages noch im Juni genehmigt; die Kosten: 2,8 Milliarden Euro.
So sollte auch die russische Militätübung im Osten der Ukraine zu verstehen sein.
Von dem Großmanöver im Baltikum 2020, das mit gleicher Intensität im Frühjahr 2021 fortgesetzt wurde, wird von unseren Massenmedien mit keinem Wort erwähnt.
Zu den Manövern im Nordmeer sagte der Verteidigungsminister Russlands Schoigu
„In den letzten 10 Tagen, vom 24. August bis zum 3. September, sind unsere Flugzeuge allein 10 Mal aufgestiegen, nur um Aufklärungsflugzeuge der USA zu begleiten. Das war über der Ostsee, der Barentsee und dem Schwarzen Meer. Aber etwas anderes macht viel mehr Sorgen. Das (die Aufklärungsflugzeuge) gab es immer, aber nicht in dieser Anzahl. Es geht nicht nur um Aufklärungsflugzeuge, in letzter Zeit gibt es regelmäßig Fugmanöver, die an unserer Grenze Raketenangriffe simulieren und daran sind große Zahlen von Flugzeugen beteiligt. Das gab es früher nicht. Zuletzt waren daran auch schwere Bomber vom Typ B52 beteiligt. Sie nähern sich unserer Grenze, natürlich fangen wir sie ab, weil wir das nicht zulassen, von niemandem.
Wir verstehen, womit das zusammenhängt. Die Welt hatte sich schon damit abgefunden, dass sie unipolar ist, dass es einen Herrn gibt, der herrscht und bestimmt. Dem gefällt es nicht allzu sehr, wenn ein neuer Pol auftaucht – und der ist aufgetaucht, auch wenn es manchem nicht gefällt – und wenn wir einfache Fragen stellen.
Die Ostgrenzen sind bedroht, sagen die europäischen Partner. Wir fragen, wer sie wie bedroht. Wir schlagen einfache Lösungen vor. Wir haben praktisch alle unsere Manöver ins Landesinnere verlegt, weg von den Grenzen.
Das war früher eine der ewigen Forderungen: Ihr bedroht uns mit Euren Manövern, macht sie nicht an der Grenze!
Jetzt machen wir praktisch alle Manöver im Landesinneren.
Das haben wir auch ihnen angeboten, aber sie machen das Gegenteil. Gerade erst im Mai waren es 30 Kriegsschiffe, darunter drei amerikanische Zerstörer mit Raketenabwehrsystemen. Das ist das erste Mal seit dem Kalten Krieg, nach dem Kalten Krieg gab es das nicht mehr.
BERLIN/OSLO (German-foreign- Bericht) – Der eskalierende Konflikt mit Russland erfasst den Hohen Norden und führt zu Aufrüstung und Manövern der Bundeswehr für Operationen im Europäischen Nordmeer. Dies geht aus einer aktuellen Analyse der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) hervor. Wie es in der Studie heißt, gewinnt insbesondere die Seepassage zwischen Grönland, Island und Großbritannien („GIUK Gap“) an Bedeutung, die von der russischen Marine durchquert werden muss, will sie in den Atlantik einfahren. Die „GIUK Gap“ galt bereits im Kalten Krieg als hochwichtig, um eventuelle sowjetische Attacken auf den Nachschub aus Nordamerika nach Europa, aber auch sowjetische Angriffe von See her auf die USA zu verhindern. Island, mitten in dem Seegebiet gelegen, habe „den geopolitischen Status einer Art Schlachtfeld“ gehabt, berichtet der ehemalige NATO-Oberbefehlshaber Admiral James Stavridis. Die Bundeswehr erhält Seefernaufklärer und U-Boote für Milliardensummen, um in der „GIUK Gap“ operieren zu können. Zudem bereiten sich deutsche und niederländische Spezialkräfte gemeinsam auf Operationen im Hohen Norden vor.
„Ein arktisches Sicherheitsdilemma“
Hintergrund der Analyse zur Rolle der Bundeswehr „im arktisch-nordatlantischen Raum“, die die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) kürzlich vorgelegt hat, ist zum einen allgemein der eskalierende Konflikt zwischen dem Westen und Russland, der auch zu einer Steigerung der Marineaktivitäten auf beiden Seiten und, darauf basierend, zu neuen Spannungen führt. Zum anderen nehmen auch die Spannungen konkret in der Arktis zu. Der Klimawandel lässt die dortigen Eismassen immer weiter abschmelzen, was neue Möglichkeiten für die Schifffahrt schafft, nicht zuletzt an der russischen Nordküste, die auf wachsenden Strecken und zu längeren Zeiten eisfrei ist. Auf russischer Seite führt das zu Bestrebungen, den Schutz der Nordküste gegen eventuelle Angriffe auszubauen; dabei nimmt das Land laut der SWP „eine defensive Haltung in der Arktis ein“.[1] Auch alle anderen Arktisanrainer – die USA, Kanada, Norwegen und Dänemark (via Grönland) – weiten ihre militärischen Aktivitäten aus. „Wachsende militärische Präsenz, mehr Manöver sowie unterschwellige Konflikte um Ressourcen und Meeresräume haben die Region in eine ungewollte Dynamik geraten und ein arktisches Sicherheitsdilemma entstehen lassen“, konstatiert die SWP.[2]
„Eine Art Schlachtfeld“
In ihrer Analyse nimmt die SWP insbesondere das Seegebiet zwischen Grönland im Westen und Norwegen im Osten in den Blick, das russische Kriegsschiffe durchqueren müssen, wenn sie aus dem Hafen der Nordflotte in Seweromorsk bei Murmansk in den Atlantik gelangen wollen. Strategen identifizieren dort zwei heikle Stellen, die als „Bear Gap“ und „GIUK Gap“ bezeichnet werden. „Bear Gap“ ist die recht breite Passage zwischen Nordnorwegen und der zu Norwegen gehörenden Inselgruppe Svalbard (Spitzbergen), in deren Mitte die ebenfalls norwegische Bäreninsel liegt. „GIUK Gap“ bezeichnet die weiter im Süden gelegene Passage zwischen Grönland (G), Island (I) und Großbritannien (UK). Sie hatte, wie der ehemalige NATO-Oberbefehlshaber Admiral James Stavridis schreibt, bereits im Kalten Krieg „strategisch entscheidende Bedeutung“: Wäre es im Kriegsfalle sowjetischen Schiffen und U-Booten gelungen, sie zu durchfahren, dann hätten sie den Nachschub aus Nordamerika nach Europa behindern und womöglich die Vereinigten Staaten von See her angreifen können. Wäre es hingegen dem Westen gelungen, die Passage zu sperren, dann hätte die sowjetische Nordflotte in der Arktis festgesteckt. Wegen der Bedeutung des Seegebiets habe Island „den geopolitischen Status einer Art Schlachtfeld“ gehabt, konstatiert Stavridis.[3]
Vorreiter Norwegen
Die SWP schreibt der „GIUK Gap“ heute erneut hohe geostrategische Bedeutung zu: Ganz wie im Kalten Krieg wäre sie auch jetzt wieder die Stelle, an der die NATO versuchen würde, die russische Nordflotte aus dem Atlantik fernzuhalten. Dazu ist zunächst eine umfassende militärische Aufklärung unverzichtbar. „Im Gesamtgeflecht alliierter Lagebilderfassung und Verteidigungsplanung nimmt Norwegen in der Region eine Vorreiterrolle ein“, konstatiert die SWP.[4] Aktuell erproben die norwegischen Streitkräfte ihren ersten von fünf neuen Seefernaufklärern Boeing P-8A Poseidon; dazu nutzen sie der SWP zufolge die Evenes Air Station, einen Militärflugplatz weit im Norden, von dem aus die „Baer Gap“ wie auch die „GIUK Gap“ gut erreichbar ist. Allerdings werden die norwegischen Streitkräfte „nicht in der Lage sein, den Verbündeten ein umfassendes und nahezu lückenloses Lagebild im riesigen maritimen Gebiet des arktisch-nordatlantischen Raums zu liefern“, stellt die SWP fest. Daher müssten verbündete Staaten sich an der Seeraumüberwachung im Hohen Norden beteiligen – so etwa Deutschland. Insgesamt gehe es darum, nicht nur die „Verteidigungsfähigkeit“, sondern auch die „Abschreckung“ gegenüber Russland zu steigern.
Milliardenschwere Aufrüstungsvorhaben
Auch um eine Beteiligung der Bundeswehr an der Seeraumüberwachung im Hohen Norden zu ermöglichen, hat der Bundestag noch in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause 2021 den Kauf von fünf Flugzeugen des Typs Boeing P-8A Poseidon zugestimmt; die Kosten: 1,1 Milliarden Euro. Die Seefernaufklärer sollen die alternde P-3C Orion ersetzen, die immer häufiger wegen technischer Defekte ausfällt. Die P-8A Poseidon ist der SWP zufolge „sowohl für die moderne U-Boot-Jagd als auch die Überwasseraufklärung ausgelegt“; sie sei „mit den Systemen der meisten Alliierten problemlos kompatibel“.[5] Hinzu kommt, dass die Deutsche Marine auch neue U-Boote beschafft; sie wären geeignet, in der „GUIK Gap“ oder den angrenzenden Gewässern russische U-Boote zu jagen. Die U-Boote (U212 CD, „Common Design“) wurden von Deutschland und Norwegen gemeinsam entwickelt; zwei hat Berlin bei ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) in Auftrag gegeben, vier weitere hat Oslo bestellt. Auch dieses Vorhaben hat der Haushaltsausschuss des Bundestages noch im Juni genehmigt; die Kosten: 2,8 Milliarden Euro.[6] Das erste U-Boot soll 2029 ausgeliefert werden. Mit der gemeinsamen Beschaffung ist die optimale Interoperabilität genauso gesichert wie durch die jeweilige Beschaffung gleicher Seefernaufklärer (P-8A Poseidon).
„U-Boot-Krieg hoher Intensität“
Berlin hat auch praktisch begonnen, seine Militärkooperation mit Norwegen und mit anderen Staaten im Hohen Norden zu intensivieren. Bereits am 12. März 2020 hatte die damalige Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer die „GIUK Gap“ als eines von drei Seegebieten genannt, in denen Russland „zentrale militärische Herausforderung“ sei.[7] Vom 29. Juni bis zum 10. Juli 2020 beteiligte sich die Deutsche Marine an dem Manöver „Dynamic Mongoose“, bei dem nicht nur der „Seekrieg generell“, sondern auch der „U-Boot-Krieg hoher Intensität“ geübt wurde – insbesondere in den Gewässern um das „Schlachtfeld“ (Stavridis) Island.[8] Kurz darauf sprach Kramp-Karrenbauer ausführlich mit ihren Amtskollegen aus Norwegen, Schweden, Finnland und Dänemark, um eine größere deutsche Rolle im Hohen Norden voranzutreiben.[9] Dabei bezieht die Bundeswehr zur Verstärkung inzwischen auch die niederländischen Streitkräfte ein. Bereits 2019 führte das Seebataillon der Deutschen Marine gemeinsam mit niederländischen Marines ein arktisches Training durch. Die Übungen werden mittlerweile regelmäßig in Nordnorwegen abgehalten – zuletzt Anfang November. Aus ihnen soll bis zum Jahr 2024 eine Amphibische Einsatzgruppe (Amphibious Task Force, ATG) hervorgehen, die als Teil der NATO-„Speerspitze“ blitzschnell einsetzbar sein soll – gerade auch im Hohen Norden.[10]
[1], [2] Michael Paul, Göran Swistek: Russland in der Arktis. Entwicklungspläne, Militärpotential und Konfliktprävention. SWP-Studie 19. Berlin, Oktober 2021.
[3] James Stavridis: Sea Power. The History and Geopolitics of the World’s Oceans. New York 2017.
[4], [5] Michael Paul, Göran Swistek: Deutschland im arktisch-nordatlantischen Raum. Russlands militärische Aktivitäten brauchen Aufklärung. SWP-Aktuell 74. Berlin, November 2021.
[6] Haushaltsausschuss gibt Milliarden für Luftkampfsystem FCAS, U-Boot-Projekt und Flottendienstboote frei. handelsblatt.com 23.06.2021.
[7] Rede der Bundesministerin der Verteidigung, Annegret Kramp-Karrenbauer, anlässlich des Parlamentarischen Frühstücks der Deutschen Maritimen Akademie am 12. März 2021