Bruchsal gedenkt dem 75. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz

Zum 75. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz hat die Stadt Bruchsal eine Serie von Veranstaltungen vorgesehen. Eine davon fand im Feuerwehrgerätehaus, am Stadtort der ehemaligen Synagoge, statt. Die Oberbürgermeisterin  Cornelia Petzolt-Schick hielt die Eröffnungsrede.

https://www.schloss-bruchsal.de/besuchsinformation/veranstaltungen/gedenkveranstaltung/

Zeitzeugen für die Gräuel des Dritten Reiches werden rar. Deswegen ist der „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“ am 27. Januar besonders wichtig, um die Erinnerung wachzuhalten…(wird fortgesetzt)

Lesung von Carsten Ramm:

Ein Brief von Esther Bejarano

Die heute 95-jährige Esther Bejarano überlebte Auschwitz. Seit Jahren kämpft sie unermüdlich gegen das kollektive Vergessen und gegen den Rechtsextremismus.

Im November 2019 hat das Finanzamt Berlin der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten die Gemeinnützigkeit entzogen die damit in ihrer Existenz gefährdet ist.

Foto:  blb

Ich zitiere aus einem Brief von Esther Bejarano an Bundesfinanzminister Olaf Scholz vom 25. November 2019:

Foto: Wikipedia

Sehr geehrter Herr Minister Scholz,

seit 2008 bin ich Ehrenvorsitzende der gemeinnützigen Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten, gegründet 1947 von Überlebenden der Konzentrationslager und NS-Verfolgten. Die Arbeit antifaschistischer Vereinigungen ist heute – immer noch – bitter nötig.

Für uns Überlebende ist es unerträglich, wenn heute wieder Naziparolen gebrüllt, wenn jüdische Menschen und Synagogen angegriffen werden, wenn Menschen durch die Straßen gejagt und bedroht werden, wenn Todeslisten kursieren und extreme Rechte nicht mal mehr vor Angriffen gegen Vertreter des Staates zurückschrecken.

Wohin steuert die Bundesrepublik? Das Haus brennt – und Sie sperren die Feuerwehr aus!, wollen der größten und ältesten antifaschistischen Vereinigung im Land die Arbeit unmöglich machen?

Wir Überlebende der Shoah sind die unbequemen Mahner, aber wir haben unsere Hoffnung auf eine bessere und friedliche Welt nicht verloren. Dafür brauchen wir und die vielen, die denken wie wir, Organisationen, die diese Arbeit unterstützen und koordinieren.

Nie habe ich mir vorstellen können, dass die Gemeinnützigkeit unserer Arbeit angezweifelt oder uns abgesprochen werden könnte!

Haben diejenigen schon gewonnen, die die Geschichte unseres Landes verfälschen wollen? Die von Gedenkstätten als ‚Denkmal der Schande‘ sprechen und den NS-Staat und seine Mordmaschine als ‚Vogelschiss in deutscher Geschichte‘ bezeichnen?

Ich habe viele Auszeichnungen und Ehrungen erhalten, jetzt gerade wieder vom Hamburger Senat eine Ehrendenkmünze in Gold. Mein zweites Bundesverdienstkreuz, das Große, haben Sie mir im Jahr 2012 persönlich überreicht, eine Ehrung für hervorragende Verdienste um das Gemeinwohl, hieß es da. 2008 schon hatte der Bundespräsident mir das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse angeheftet.

Wer aber Medaillen an Shoah-Überlebende vergibt, übernimmt auch eine Verpflichtung. Eine Verpflichtung für das gemeinsame NIE WIEDER, das unserer Arbeit zugrunde liegt.

Und nun frage ich Sie: Was kann gemeinnütziger sein, als diesen Kampf zu führen?

Entscheidet hierzulande tatsächlich eine Steuerbehörde über die Existenzmöglichkeit einer Vereinigung von Überlebenden der Naziverbrechen?

Als zuständiger Minister der Finanzen fordere ich Sie auf, alles zu tun, um diese unsägliche Entscheidung rückgängig zu machen. Wir Überlebenden haben einen Auftrag zu erfüllen, der uns von den Millionen in den Konzentrationslagern und NS-Gefängnissen Ermordeten und Gequälten erteilt wurde. Dabei helfen uns viele Freundinnen und Freunde, die Antifaschistinnen und Antifaschisten – aus Liebe zur Menschheit!

Mit freundlichen Grüßen

Esther Bejarano

Ich beende unsere Lesung mit einem Satz des Holocaust-Überlebenden Max Mannheimer:

Ihr seid nicht schuld an dem, was war, aber verantwortlich dafür, dass es nicht mehr geschieht.“

Carsten Ramm