Militärische NATO-Großübung „Defender 2020“

Aufmarsch im Osten: Die US-Streitkräfte führen im kommenden Jahr 37.000 Soldaten über Deutschland nach Polen und ins Baltikum. Das Militär gibt Abschreckung als ein Ziel der Übung an.

Ausgerechnet zum    75. Jahrestag  der Befreiung vom Faschismus durch die Rote Armee schicken die USA im nächsten Jahr so viele Soldaten nach Europa wie seit einem Vierteljahrhundert nicht mehr.

 An der Militärübung „Defender 2020“, abgekürzt: DEF 20 beteiligen sich 19 Nato-Mitgliedsstaaten. Die Führung dieses Manövers übernehmen die USA, die dazu insgesamt 37.000 Soldaten abstellen wollen. Davon sind 17.000 bereits in Europa stationiert. Der Rest wird zusammen mit zusätzlichen Panzern und anderem Gerät aus Nordamerika eingeflogen und eingeschifft, wie die US-Streitkräfte in Europa gestern bekannt gaben. Mit 20.000 Mann wären das so viele, wie seit einem Vierteljahrhundert nicht mehr für eine einzelne Militärübung über den Atlantik gebracht wurden.

Deutschland wird bei diesem Manöver im April und Mai als „Drehscheibe“ fungieren: Ihre erste Aufgabe wird Außer einer Bundeswehrunterstützung „in den Bereichen Kampf, Kampfunterstützung und Führung“ ist deshalb auch der Aufbau dreier „Convoy-Support-Zentren“ und einer großen Tankanlage geplant. Letztere soll auf dem Truppenübungsplatz Bergen in der Lüneburger Heide entstehen.  In diesem Staat, der im Januar die Führung der 2014 ins Leben gerufenen „Very High Readiness Joint Task Force“ (VJTF) der NATO übernahm, kommen Soldaten und Material aus den USA an, um in die drei baltischen Länder Litauen, Lettland und Estland sowie nach Polen zu transportieren.

Straßen, Brücken, Schienen und das Zwei-Prozent-Ziel

Dem deutschen Bundesverteidigungsministerium nach soll mit DEF 20 „eine schnelle Verlegbarkeit größerer Truppenteile über den Atlantik und durch Europa geübt werden, um sicherzustellen, dass die entsprechenden Verfahren im Krisenfall funktionieren“. Dadurch könne die Bundesrepublik zeigen, wie sie zur „gemeinsamen europäischen und euro-atlantischen Sicherheit“ beitrage. Außerdem werde mit dem Transport der teilweise über 130 Tonnen schweren Kampfpanzer auf Militärtiefladern auch die Belastbarkeit der deutschen Infrastruktur überprüft. Das ist mehr als nur eine Übung.

Für die anderen Nutzer deutscher Straßen und Brücken könnte das zweierlei bedeuten: Zum einen Schäden und Behinderungen an solchen Bauwerken – zum anderen vielleicht aber auch ein schnelleres Angehen lange fälliger Reparaturen, Erneuerungen und Ausbauten. Würde eine deutsche Bundesregierung dafür den Verteidigungshaushalt anzapfen, könnte sie sich auf diese Weise schnell dem Zwei-Prozent-Ziel der NATO nähern, auf dessen Einhaltung die US-Staatsführung drängt (vgl. Trump macht NATO-Gipfel zum Bauerntag).

Außer in der Luft und auf Straßen sollen Material und Soldaten auch auf Binnenschiffen und Schienen transportiert werden. Letzteres könnte zu zusätzlichen Verzögerungen im ohnehin sehr störungsbelasteten Bahnbetrieb führen (vgl. Deutsche Bahn: Kernkompetenz Unzuverlässigkeit).

Adressat Russland

Das Üben schneller Truppenverlegungen „beruhigt“ dem USAREUR-Kommandeur Christopher G. Cavoli zufolge „unsere Alliierten“ und „schreckt mögliche Gegner ab“. In Klartext übersetzt ist das Manöver deshalb „eine Beruhigungspille für die Osteuropäer“ und „eine Machtdemonstration an die Adresse Russlands“. In Wirklichkeit aber eine Kriegsvorbereitung.

Als weitere Machtdemonstration an diese Adresse schlägt der amerikanische Militär-Think-Tank RAND Corporation in einem gerade erschienenen Bericht die Stationierung von Luftabwehrsystemen und Küstenraketensystemen in den Schwarzmeerländern Bulgarien und Rumänien vor. Das sei nötig, weil Russland die Krim „militarisiert“, seine Schwarzmeerflotte modernisiert und seine Truppen im Kaukasusgebiet verstärkt habe.

Für die Türkei, dem mit Abstand größten Schwarzmeeranrainer unter den NATO-Ländern, schlägt der Bericht keine solche Stationierung vor. Die hat sich allerdings gerade ein eigenes Luftabwehrsystem gekauft: das russische S-400 (vgl. S-400: Erdoğan trotzt den USA und der NATO). Zudem ist unklar, wie sich die syrienbedingten Spannungen zwischen ihr und den USA entwickeln werden.

Zwischen April und Mai werden die Truppen mit Unterstützung der Bundeswehr durch Deutschland geführt. Dazu sind drei sogenannte Convoy-Support-Zentren für die Marschkolonnen und der Aufbau einer Tankanlage auf dem Truppenübungsplatz Bergen in der Lüneburger Heide geplant. Die US-Truppen bringen ihr Gerät teils mit, teils lagert es bereits in Europa.

Für die deutschen Stellen geht es auch darum, die Belastbarkeit der eigenen Infrastruktur – Brücken und Verkehrswege – zu überprüfen. Ein Kampfpanzer auf Tieflader kann mehr als 130 Tonnen wiegen. Der Transport von Militärgerät ist auch per Bahn und mit Binnenschiffen geplant.

Deutschland hatte im Januar auch die Führung der Nato-Speerspitze (Very High Readiness Joint Task Force – VJTF) übernommen. Die Speerspitze war 2014 gegründet worden – eine Reaktion auf das Refererendum,  um die Wiedereingliederung der  Halbinsel Krim zu Russland.  Deutsche Militärstrategen  konnten diesen Schachzug der russischen Führung nicht ertragen. Dabei hatten sie selbst dafür gesorgt, dass sich das Kräfteverhältnis in Bezug auf die Ukraine  zu Gunsten des Westens verändert.

Quelle: Telepolis (Heise)