Friedenskundgebung in Bruchsal zur sofortigen Beendigung der Kampfhandlungen in der Ukraine

 

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

Als Christian Holzer mich anrief und fragte, ob ich heute hier im Namen der Friedensinitiative eine kurze Rede halten möchte, habe ich spontan zugestimmt. Als ich mir dann überlegte, was ich euch sagen soll, merkte ich, dass ich ziemlich sprachlos bin.

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

diese Sprachlosigkeit beherrscht mich immer noch ein Stück weit. Und es gesellt sich zur Sprachlosigkeit, die Wut und die Ohnmacht. Wie kann es sein, dass wir wieder hier stehen, weil es Krieg in Europa gibt? Wie konnte es soweit kommen, dass ein machtlüsterner Herrscher mit Bomben und Panzern über ein Nachbarland herfällt?

Den Überfall der russischen Armee auf die Ukraine – befohlen von der russischen Regierung – verurteilen wir zutiefst.

Erklärungen wie das offensichtliche Vordringen des Militärpaktes NATO in Richtung Osten oder historische Völkerrechtsbrüche und Grenzziehungen sind keine Entschuldigung und schon gar keine Legitimation mit Waffengewalt in das Staatsgebiet eines souveränen Staates einzudringen.
Wobei der Überfall der russischen Armee nur der kriegerische Gipfel einer militärischen Auseinandersetzung ist, die schon seit 2014 dauert; mit 13000 Todesopfern – davon 3300 Zivilisten – und mehr als 3 Millionen Geflüchteten aus den Regionen Donezk und Luhansk.

Die ukrainische Friedensbewegung forderte noch Anfang Februar die Einhaltung des Waffenstillstandes, den Abzug aller Truppen und die Einstellung aller Waffenlieferungen. Wörtlich: „Wir fordern die sofortige friedliche Beilegung des Konfliktes durch Führung offener, umfassender und inklusiver Verhandlungen in Form eines öffentlichen Dialogs zwischen allen staatlichen und nicht-staatlichen Konfliktparteien sowie die Verankerung der Neutralität unse­res Landes in unserer Verfassung.“ Zitat Ende.

Bereits im Dezember vergangenen Jahres hatte eine Gruppe von Außen- und Sicherheits­expert:innen vorgeschlagen, eine hochrangige Konferenz im Rahmen der OSZE – der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa – einzuberufen. Ziel: Wieder­belebung der europäischen Sicherheitsarchitektur. Damit säßen alle Beteiligten von Vancouver bis Wladivostok an einem Tisch.

Stattdessen wird von der Bundesregierung heute die Lieferung von Waffen in die Ukraine beschlossen und die massive Aufstockung des Militärhaushaltes.

Welche Waffenlieferungen bitteschön haben in der Vergangenheit Kriege verhindert? Die Lieferung von Marschflugkörpern zum Beispiel durch die Türkei in die Ukraine haben Putin nicht abgehalten die Panzer in Marsch zu setzen. Die Forderung nach Lieferung von defen­siven Waffen mag im ersten Moment logisch erscheinen, wenn ein Goliath einen David überfällt. Gemäß dem Motto: Mensch muss den Schwachen schützen. Was aber sind den defensive Waffen. Diese töten genauso unschuldige Menschen. Und sie bringen uns nur weiter hinauf auf der Gewaltspirale. Das ist die Logik des Krieges.

Eine weitere Konflikteskalation darf nicht die Option sein. Insbesondere wenn Putin sagt:

„To anyone who would consider interfering from the outside:
Also, an diejenigen, die beabsichtigen, sich von aussen einzumischen
If you do, you will face consequences greater than any you have faced in history.
Wenn ihr das tut, werdet ihr Konsequenzen erfahren, größer als irgendwelche in der Vergangenheit
All relevant decisions have been taken. I hope you hear me.“
Alle notwendigen Entscheidungen wurden gefällt, ich hoffe, ihr hört mich.

Putin droht hier unverhohlen mit dem atomaren Erstschlag. Das macht mir Angst!
Und heute Nachmittag die Meldung im Nachrichtenticker, dass Putin die russischen Atomstreitkräfte in Alarmbereitschaft versetzt hat. Nur entsetzlich.

Nach dem Modell zur Konflikteskalation nach Friedrich Glasl befinden wir uns gerade im letzten Drittel der neunstufigen Skala:
Begrenzte Vernichtungsschläge / Zersplitterung / Gemeinsam in den Abgrund.

Hört also auf mit den Säbeln zu rasseln und setzt euch an den Verhandlungstisch!
Setzt anstatt auf Kriegslogik auf eine Logik des zivilen Konfliktbearbeitung.
Unterstützt das ukrainische Volk nicht mit Waffen sondern mit humanitären Mitteln, wie Notaufnahmelagern für Flüchtende, Hilfe für Verletzte, sichere Fluchtwege.
Sorgt für eine sofortige Waffenruhe und Abrüstung auf beiden Seiten.
Helft ukrainischen und russischen Deserteuren, die die Armee verlassen wollen und diesen Irrsinn und das Töten nicht unterstützen möchten.

Die Anstrengungen für Deeskalation, Verständigung und Frieden dürfen jetzt nicht nachlassen.

Wir laden alle ein, in der kommenden Woche von Montag bis Freitag, jeweils von 17:30-18h, sich hier auf dem Rathausplatz zu versammeln, um unsere Solidarität mit den Menschen in der Ukraine zu zeigen. Menschen, die ihrer Freiheit und ihrer Träume beraubt werden, im schlimmsten Fall sogar getötet werden.
Wir wollen zusammen stehen und auch eine Plattform bieten, uns über unsere Ohnmacht auszutauschen und unsere Sprachlosigkeit zu überwinden.
Wir wollen einstehen für ein Europa der Abrüstung, der Verständigung und des Friedens.

Danke für’s Zuhören

Die Rede wurde am Sonntag, den 27.2.2022 auf dem Marktplatz Bruchsal von

Dr. Rüdiger  Czolk