Trotz Corona-Pandemie am 1.Mai 2020 in Karlsruhe auf dem Friedrichsplatz

Dem Sauwetter trotzten am 1. Mai 250 – 300 Kundgebungsteilnehmer*innen.

Solidarisch ist man nicht allein. So lautet das diesjährige Motto des DGB Bundesvorstand. Diesem Motto schließe ich mich aus tiefer Überzeugung an. Ganz besonders in dieser Zeit, die uns vor derartig gewaltige Herausforderungen stellt und in der sich viele Menschen Sorgen machen um ihren Arbeitsplatz und ihre Gesundheit, ist Solidarität ein ungemein wichtiges Gut. Je länger die Krise dauert, desto offensichtlicher wird, welche Berufe eine Gesellschaft wirklich braucht. Gesundheit, Pflege, Erziehung, Landwirtschaft, ÖPNV, Einzelhandel, Logistik und alle Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge wie Wasser, Müll, Energie sind unverzichtbar. Es sind Intensivpflegerinnen, Erzieherinnen, Verkäuferinnen, Reinigungskräfte und Erntehelferinnen, die den Laden am Laufen halten. Es sind die Beschäftigen, die viel zu lange mit niedrigen Löhnen, befristeten Arbeitsverträgen und Teilzeit abgespeist wurden. Das muss sich jetzt grundlegend ändern! Jetzt muss es darum gehen, die Mehrheit der Bevölkerung vor den Folgen dieser Krise zu schützen.

Doch einen Aufruf des DGB auf die Straße zu gehen gab es nicht. Anders das antikapitalistische Bündnis Karlsruhe. Sie haben  das Heft des Handelns in die Hand genommen und die Aktionen zum 1. Mai auf der Straße getragen.

 

Schon kurz nach 13 Uhr trafen die ersten Aktivist*innen mit Fahnen,
Schildern, einem Hochtransparent und Parolen rufend auf dem
Friedrichsplatz ein. Bis 13.30 Uhr stieg die Teilnehmer*innenzahl, trotz
immer wieder einsetzendem Starkregen, auf über 250 Menschen an. Auch ein vom Wind umgeworfenes Pavillon konnte der guten und kämpferischen
Stimmung keinen Abbruch tun. Um die Infektionsgefahr so gering wie
möglich zu halten, trugen alle Besucher*innen Schutzmasken und standen
mit Abstand zueinander. Die Kundgebung startete, nach einer kurzen
Einleitung der Moderation über die Geschichte des 1. Mai, der seit über
130 Jahren als Kampftag der Lohnabhängigen begangen wird und seit je her
für Kampf, Revolution und der Vision für eine gerechte Gesellschaft steht.

Die erste Rednerin sprach als Vertreterin des Aktionskreises
Internationalismus über die Lage der Geflüchteten in Deutschland, die
mit Ausbruch des Virus noch viel mehr als zuvor in ihren Unterkünften
eingesperrt und isoliert werden. Besonders besorgniserregend ist auch
die Situation der Geflüchteten in den Lagern auf den griechischen
Inseln, wo unter unmenschlichen Bedingungen viel zu viele Menschen
eingepfercht werden und keine Möglichkeit besteht sich vor dem Virus zu
schützen.

Im Anschluss zeigte Michel Brand als Vertreter der Seebrücke die
zynische Rolle der Europäischen Union auf, die sich auf der einen Seite
als „Friedensprojekt“ feiert und gleichzeitig die EU Außengrenzen mit
Waffen verteidigt, gegen Menschen die wegen Krieg und Existenznot ihre
Heimat verlassen mussten. Auch wies er auf die Kriminalisierung und
Festsetzung der zivilen Seenotrettung hin, während immer noch täglich
Menschen auf dem Mittelmeer ertrinken, wird die zivile Seenotrettung
massiv unter Druck gesetzt ihre Arbeit einzustellen und tatenlos dem
mörderischen Kalkül zu zusehen.

Danach folgte der Beitrag des Klimakollektiv Karlsruhe. Der Redner
führte auf, dass selbst die Reduktion der Emissionen durch Corona nicht
ausreicht, um die gefährliche Klimaerwärmung über 1,5 Grad zu
verhindern. Gerade jetzt müssen öffentliche Gelder zu allererst dem
Klima und den Beschäftigten zu Gute kommen und nicht ein paar wenigen
Konzernchefs. Dem Klimakollektiv geht es nicht darum, dass
Arbeiter*innen ihre Jobs verlieren. Im Gegenteil – sie fordern, dass
neue zukunftsfähige Jobs erschaffen werden. Klimagerechtigkeit und
Kapitalismus funktionieren nicht zusammen, um eine wirklich
zukunftsfähige Welt zu erhalten, braucht es ein anderes System.

Vor dem Beitrag „Stimmen der Beschäftigen“ wies die Moderation auf eine
Aktion hin, die einige Aktive schon am Morgen durchgeführt hatten. Sie
markierten in der Südstadt Leerstand mit Schildern, Transparenten und
gesprühten Parolen und machten so auf die Gentrifizierung, dem Geschäft
mit der Spekulation von Wohnraum hin. Während Mieten immer höher und für die allermeisten Menschen unbezahlbar werden, lassen Miethaie Wohnungen bewusst leerstehen, um deren Wert zu steigern.

Für die Beschäftigen sprachen zuerst zwei Vertreter*innen von der Ver.di
Betriebsgruppe im KIT. Thematisch ging es um die Entscheidungsbefugnisse von Betriebsrät*innen in Zeiten von Kontaktverboten. Das gesetzlicheMitspracherecht und die Anerkennung von Entscheidungen, die geradeaufgrund von Corona Schutzmaßnahmen nur digital per Videokonferenz möglich sind, musste erst erkämpft werden. Außerdem forderten sie die Fortführung von Arbeitsverträgen, die noch während der Krise auflaufen, ebenso wie die Verlängerung der Stipendien für Studierende. Bildung darf in Zeiten der Krise nicht weg gespart werden.

Auch die NGG (Nahrungs- und Genussmittelgewerkschaft) kam zu Wort und prangerte die Einteilung der Lebensmittelproduktion als „systemrelevant“ an, was zu Folge hat, dass hart erkämpfte Arbeiter*innenrechte, wie der 8-Stunden-Tag, abgeschafft werden. Außerdem werden die Beschäftigen unter dem Deckmantel der Systemrelevanz noch viel mehr als zuvor ausgebeutet und bekommen kürzere Pausen und Ruhezeiten. Dieser Belastung werden viele der Beschäftigen auf Dauer nicht stand halten.

Darauf folgend sprachen zwei Verter*innen des Bündnisses Krankenhaus
statt Fabrik. Beide der Redner*innen arbeiten selbst in Pflegeberufen.
Sie schildern die Lage der Pflegekräfte schon vor der Pandemie als
höchst bedenklich. Unser Gesundheitssystem wird seit Jahren
privatisiert, zusammengespart und der Profitlogik unterworfen. Immer
weniger Pfleger*innen müssen immer mehr Patent*innen versorgen.
Fallpauschalen tragen ihr übriges dazu bei, dass es in diesem Sektor
schon längst nicht mehr um die Gesundheit der Menschen, sondern um das
Erwirtschaften von Gewinnen geht. Das es nun mit Ausbruch einer globalen
Pandemie die Sorge gibt, dass dieses Gesundheitssystem mit der
Versorgung von Covid-19 Erkrankten überfordert sein könnte, ist kein
Wunder. Krankenhaus statt Fabrik fordert die Abschaffung von
Fallpauschalen, einen höheren Lohn, dauerhafte Wertschätzung für
Pflegeberufe und die Rücknahme der Privatisierung des
Gesundheitssektors. Außerdem wies die Rednerin auf die besondere Lage
von Frauen in Pflege- und Careberufen hin. Diese Berufe sind mit einem
enormen Arbeitspensum oftmals schlecht bezahlt und werden von über 80 Prozent Frauen ausgeübt. Mit der unbezahlten Reproduktionsarbeit, die für die meisten Frauen nach der Lohnarbeit beginnt, sind diese einer enormen
Doppelbelastung ausgesetzt.

Zum Schluss wurde in dem Beitrag des antikapitalistischen Bündnisses
klar gestellt, dass es nicht nur der Virus ist, der uns gerade in eine
Krise führt, sondern das kapitalistische Wirtschaftssystem, dass schon
immer ein System der Krisen war. Die Profiteure dieses Systems sind nur
einige Wenige, die sich auf dem Rücken der meisten Menschen ein schönes
Leben machen. Doch eine andere Welt ist möglich, dass beschrieben die
zwei Redner*innen eindrücklich und zeichneten ein Bild einer Welt in der
die höchste Maßgabe nicht der Profit, sondern die Bedürfnisse und
Gesundheit aller Menschen sind. Der Kapitalismus ist nicht das Ende der
Geschichte. Wenn wir uns zusammenschließen, organisieren und kämpfen,
können wir eine lebenswerte Zukunft für alle, eine Zukunft jenseits des
Kapitalismus schaffen.

Mit der Abschlussparole „Hoch die internationale Solidarität“ wurden
jede Menge Konfetti in die Luft geschossen. Als gemeinsames Abschluss
sangen die Kundgebungsteilnehmer*innen die Internationale. Trotz erneut
einsetzendem Regen wehten dabei unzählige rote Fahnen.

Nach der Kundgebung kamen einige Klimaaktivist*innen dem Aufruf aktiv zu werden nach und markierten mit Schildern das CDU-Partei Büro. Dabei
entlarvten sie die Partei als Bremse in Sachen Klimagerechtigkeit und
der Verbesserung der Arbeitsbedienungen von Beschäftigten in der Pflege.

Quelle: Antikapitalistische Bündnis Karlsruhe