Ein Mord und die Folgen

War der US-Amerikanische Stützpunkt in Ramstein Ausgang des Drohnenangriffs auf den iranischen General Qassem Soleimani? Und die wahren Hintergründe des Mordanschlages.

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Grafik und Foto:  Wikipedia
Die  Ermordung des  iranischen General Qassem Soleimani sowie weiteren hochrangigen Militärs durch einen Drohnenangriff destabilisiert die gesamte Region und stößt weltweit auf Unverständnis. Die US-Amerikanische Administration hat ein Fass aufgemacht und damit das iranische Volk mit seiner Regierung solidarisiert.

Auch dieser Drohnenangriff ist vermutlich wieder von Ramstein ausgegangen. Die US-Militärbasis Ramstein ist umstritten. Die Bundesregierung fängt sich immer wieder Kritik ein, vor allem wenn es um US-Drohneneinsätze von hier aus geht. Die Drohnen sind jetzt auch Thema vor Gericht. Allerdings in einer anderen Angelegenheit.

Ramstein: Das ist ein Militärstandort, über den nicht sonderlich viel bekannt ist, der aber äußerst umstritten ist. Die Militärbasis liegt in der Nähe von Kaiserslautern in Rheinland-Pfalz und ist Teil der Kaiserslautern Military Community.

Bisher hält es die Bundesregierung Deutschland nicht für nötig die US-Amerikanische Adminiistration darauf hinzuweisen, dass mit der aktiven Benutzung des US-Stützpunktes für den weltweiten Drohneneinsatz gegen unliebsame Regimepolitiker auch die Europäer gefährdet sind. Es nützt wenig im nachhinein alle möglichen Kanäle der Politik zu nutzen, statt im Vorfeld unüberlegte Schritte seitens der Verbündeten zu verhindern. Mittlerweile hat das deutsche Verteidigungsministerium (Kriegsministerium) ihre Soldaten auf auf einen anderen Stützpunkt in Sicherheit gebracht.

Nun behaupte die US-Regierung, den iranischen General Soleimani vor allem deshalb getötet zu haben, um „unmittelbar bevorstehende“ Anschläge zu verhindern, zu deren Planung er sich im Irak aufhielt. Eine dreiste Lüge, wie es der irakische Premier gestern klarstellte. Soleimani sei vielmehr – mit Wissen und Billigung Trumps – auf dem Weg zu bilateralen Friedensgesprächen zwischen Iran und Saudi-Arabien unterwegs gewesen, die die irakische Regierung vermittelt habe. Der Mord war also ein Attentat auf einen diplomatischen Emissär und gleichzeitig auch eine Sabotage des regionalen Friedensprozesses. Geht es noch schlimmer? Das geht aus einer Recherche von Max Blumental hervor.

Diese Information könnte die deutsche Bundesregierung auch direkt vom Irakischen Premier erhalten, wenn sie gewillt wäre. In der Zwischenzeit konterte  die iranische Regierung  mit einen Raketenangriff auf  einen US-Amerikanischen Stützpunkt. Tote und Verletzte habe es nicht gegeben.

Siehe auch den LINK:

Deutlicher wird Agnès Callamard, die Sonderberichterstatterin für außergerichtliche, standrechtliche oder willkürliche Hinrichtungen der Vereinten Nationen. In einem Tweet schreibt sie:

Die gezielten Tötungen von Qasem Soleiman und Abu Mahdi Al-Muhandis sind höchstwahrscheinlich ungesetzlich und verletzten die internationalen Menschenrechte: Außerhalb des Kontextes von aktiven Feindlichkeiten, ist der Einsatz von Drohnen oder anderen Mitteln zur gezielten Tötung wahrscheinlich fast niemals legal. Um nach den internationalen Menschenrechtsgesetzen gerechtfertigt zu sein, kann absichtlich tödlich oder potentiell tödliche Gewalt nur dann eingesetzt werden, wenn dies strikt notwendig ist, um sich gegen eine unmittelbare Bedrohung des Lebens zu schützeSo jedenfalls Agnès Callamard  und die Menschenrechte

 

Eskaliert der Konflikt um Iran weiter?   Irakisches Parlament fordert Abzug der Bundeswehr

WASHINGTON/TEHERAN/BERLIN (german-foreign-Bericht) – Nach dem US-Mord an dem iranischen General Qassem Soleimani sowie weiteren hochrangigen Militärs aus Iran und dem Irak werden in Bagdad Forderungen nach einem Abzug der auswärtigen Soldaten laut, darunter die Bundeswehr. Die mit der Anti-IS-Koalition im Irak stationierten Truppen müssten das Land verlassen, verlangte das irakische Parlament am gestrigen Sonntag. Die Bundesregierung dringt darauf, die deutschen Militärs im Irak zu halten, um sich dort Einflussoptionen zu sichern. Bereits zuvor hatte Berlin Forderungen abgewiesen, den Einsatz aus Sicherheitsgründen zu beenden. Camp Taji bei Bagdad, wo zur Zeit 27 deutsche Soldaten stationiert sind, war bereits im Juni mit Raketen beschossen worden; die Militärbasis gilt als mögliches Ziel von Vergeltungsschlägen Irans oder proiranischer Milizen. Während die Bundesregierung den Mord an Soleimani als „Handlungsweise der Vereinigten Staaten“ beschönigt, stuft der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion ihn offiziell als „völkerrechtswidrig“ ein. Ein Regierungsberater spricht von „Staatsterrorismus“.

Völkerrechtswidrig, Staatsterrorismus

Offen kritisiert hat den US-Mord an dem iranischen General Qassem Soleimani, dem irakischen Militärkommandeur Abu Mahdi al Muhandis und weiteren iranischen und irakischen Militärs unter anderem Rolf Mützenich, Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion. Mützenich hielt am gestrigen Sonntag fest, durch den Mord an hochrangigen Amtsträgern zweier fremder Staaten sei „das Völkerrecht … verletzt“ worden: „Die gezielte Tötung von Zivilisten oder staatlichen Repräsentanten, die nicht unmittelbar an Feindseligkeiten teilnehmen oder von denen keine unmittelbare Gefahr für andere ausgeht, ist nicht rechtmäßig und stellt auch kein legitimes Mittel dar.“[1] Deutlichere Worte hatte zuvor der Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Volker Perthes, gefunden. Perthes zufolge hängt die Beurteilung des Mordes davon ab, ob sich Iran und die Vereinigten Staaten im Krieg miteinander befinden. Tatsächlich haben weder Washington noch Teheran der anderen Seite den Krieg erklärt. „Wenn es keinen Kriegszustand gibt“, sagte Perthes schon am Freitag, dann könne man das, „was hier stattgefunden hat“, „als Staatsterrorismus bezeichnen“.[2]

Mord als „Handlungsweise“

Obwohl Mordaktionen wie die vom Donnerstagabend im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD scharf verurteilt werden – in dem Dokument heißt es: „Völkerrechtswidrige Tötungen lehnen wir kategorisch ab, auch durch Drohnen“ -, liegt weiterhin keine Verurteilung des Verbrechens durch die Bundesregierung vor. Nach einer Telefonschaltkonferenz der Kanzlerin, der Minister für Inneres, für Äußeres und für Verteidigung sowie des Kanzleramtsministers hatte es am Samstag in einer ersten offiziellen Stellungnahme geheißen, die Regierung sei sich einig in der „Sorge um die Entwicklung der Lage im Irak“.[3] Über den Mord, der als „Handlungsweise der Vereinigten Staaten“ umschrieben wurde, hieß es lediglich, er sei „in der nationalen Verantwortung Washingtons“ geschehen; Berlin wies damit jegliche Verantwortung der Anti-IS-Koalition, der die Bundesrepublik an der Seite der USA angehört und in deren Namen die US-Truppen offiziell im Irak operieren, zurück. Allerdings zeigte die Regierung Verständnis: Soleimani sei „nicht umsonst“ auf die EU-Terrorliste gesetzt worden, hieß es in der Stellungnahme weiter. Berlins Positionierung ist auch deshalb von Interesse, weil sie einmal mehr bestätigt, dass das Völkerrecht für die Bundesregierung kein unumstößlich handlungsleitendes Prinzip, sondern ein bei Bedarf genutztes Instrument ist – vorwiegend zur Legitimation von Aggressionen gegen gegnerische Staaten.

„Gerade Europa“

Ansonsten laviert Berlin. Sein bisheriger Versuch, gemeinsam mit London und Paris den Atomdeal mit Teheran zu retten und darauf aufbauend eine eigenständige EU-Mittelostpolitik zu entwickeln, bleibt weiterhin wirkungslos und droht in der aktuellen Eskalation früher oder später endgültig zu scheitern. Gestern kündigte die iranische Regierung an, sie werde – in Reaktion auf den fortgesetzten Bruch des Abkommens durch die USA und de facto auch durch die Länder der EU – der Urananreicherung keine festen Grenzen mehr auferlegen, solange die anderen Unterzeichner den Vertrag nicht einhielten. Allerdings sei sie bereit, im Falle einer Aufhebung der US-Sanktionen die Beschränkungen wieder in vollem Umfang zu akzeptieren.[4] Ein Ende der Sanktionen freilich ist nicht einmal im Ansatz in Sicht. Außenminister Heiko Maas kündigte gestern an, Berlin werde „alle Hebel in Bewegung setzen, um einer weiteren Eskalation der Lage entgegenzuarbeiten“.[5] „Gerade Europa“ komme jetzt „eine wichtige Rolle zu“: „Als Europäer haben wir zu allen Seiten bewährte und belastbare Gesprächskanäle“, die es nun rasch zu nutzen gelte.[6] Damit setzt die Bundesregierung ihre bisher völlig erfolglosen Bemühungen um eine eigenständige Rolle im Mittleren Osten fort.

Raketen auf Camp Taji

Zur Debatte steht dabei mittlerweile der Einsatz der Bundeswehr im Irak. Die Bundesregierung ist mit allen Mitteln bemüht, ihn fortzusetzen, weil er ihr Einflussoptionen sichert. Am Samstagabend hatte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer dementsprechend Forderungen nach dem Abzug der deutschen Soldaten zurückgewiesen, die in Camp Taji unweit Bagdad sowie im nordirakischen Erbil irakische Militärs ausbilden und zudem im Hauptquartier der Anti-IS-Koalition in Bagdad tätig sind. Begründet worden waren die Abzugsforderungen aus der Berliner Opposition vor allem damit, die Sicherheit der deutschen Soldaten sei nicht mehr gewährleistet. In der Tat waren bereits im Juni Raketen auf Camp Taji abgefeuert worden (german-foreign-policy.com berichtete [7]); dies droht nun erneut, da sowohl Iran als auch proiranische Milizen im gesamten Mittleren Osten Vergeltung für den Mord vom Donnerstagabend angekündigt haben. Kramp-Karrenbauer erklärte dagegen, die Bundeswehr solle im Irak verbleiben und dort weiterhin Beiträge zur „Stabilisierung“ der Region leisten.[8]

Abzugsforderungen

Unklar ist allerdings, ob sich Berlin den immer lauter werdenden Abzugsforderungen aus dem Irak widersetzen kann. Am gestrigen Sonntag verabschiedete das irakische Parlament eine Resolution, in der es verlangt, die ausländischen Soldaten, die im Rahmen der US-geführten Anti-IS-Koalition im Irak stationiert sind, müssten das Land umgehend verlassen. Die Resolution hat keine bindende Wirkung, gilt aber als wichtiger Schritt, um den Druck auf die Regierung in Bagdad zu erhöhen und sie zur Einleitung der notwendigen Maßnahmen zu veranlassen. Offiziell sind die Truppen der Anti-IS-Koalition auf Einladung der irakischen Regierung in dem Land stationiert. Widerriefe diese die Einladung, könnten die ausländischen Truppen allenfalls als illegale Besatzer bleiben. Gestern teilte ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums mit: „Deutsche Soldaten können nur dann im Irak bleiben, wenn die irakische Regierung sagt, dass sie das weiterhin will“.[9] US-Außenminister Mike Pompeo hingegen erklärte gestern, Iraks Ministerpräsident Adel Abdul Mahdi sei lediglich geschäftsführend im Amt und „enormen Drohungen der iranischen Führung“ ausgesetzt – Hinweise, die geeignet sind, etwaige künftige Abzugsforderungen des irakischen Ministerpräsidenten vorab zu delegitimieren.[10] Damit gewinnt der Machtkampf um die Stationierung auch deutscher Soldaten im Irak an Schwung.

[1] Jan Drebes: „Das Völkerrecht wurde verletzt“. Mützenich will Eskalation verhindern. rundschau-online.de 05.01.2020.

[2] „Asymmetrischer Krieg hat schon begonnen“. tagesschau.de 03.01.2020.

[3] „Der Irak darf nicht im Chaos versinken“. bundeswehr.de 04.01.2020.

[4] Parisa Hafezi: Iran says no limits on enrichment, stepping further from 2015 deal: TV. reuters.com 05.01.2020.

[5] Nach Tötung von Soleimani: Maas kündigt Gespräche mit Iran an. rnd.de 05.01.2020.

[6] Außenminister Maas zur Lage im Nahen Osten. Pressemitteilung des Auswärtigen Amts. Berlin. 05.01.2020.

[7] S. dazu Unter Beschuss.

[8] Bundesregierung hält an Irak-Einsatz fest. tagesschau.de 05.01.2020.

[9] Teheran verkündet „neue Phase der Widerstandsfront“ im Nahen Osten. Frankfurter Allgemeine Zeitung 06.01.2020.

[10] Isabel Coles: Iraqi Parliament Votes in Favor of Expelling U.S. Troops. wsj.com 05.01.2020.

Quellen: german-foreign (Original Text) – und  Nachdenkseiten

Wir dokumentieren hier unter anderem die Recherche von german-foreign.