La Paz. Aus Protest gegen den Einsatz des Militärs zur Niederschlagung der Proteste gegen den erzwungenen Rücktritt von Evo Morales ist Boliviens Verteidigungsminister Javier Zavaleta zurückgetreten. Seine Regierung habe niemals den Einsatz militärischer Gewalt gegen die Bevölkerung angeordnet und werde das auch nie tun, sagte er zur Begründung.
Zavaleta reagierte damit auf die Übernahme der Kontrolle durch die Streitkräfte in Sachen „innere Sicherheit“ und ihre Zusammenarbeit mit der Polizei, die der Oberkommandierende Willians Kalimán am Montag bekanntgegeben hatte. Damit war er Forderungen von Oppositionsführern nachgekommen. Man gehe nun gemeinsam gegen Gruppen vor, die sich „in den letzten Tagen auf den Straßen mobilisieren“, „Akte des Vandalismus begehen“ und „Terror verbreiten“, so Kalimán. Nun sind auch Soldaten auf den Straßen der großen Städte im Einsatz. Der Generalkommandant der Polizei, Juri Calderon, sagte bei der gemeinsamen Pressekonferenz, viele Polizeistationen seien angezündet und geplündert worden.
Während die Polizei gegenüber den Gewalttaten der Opposition gegen staatliche Einrichtungen und Vertreter der regierenden Bewegung zum Sozialismus seit Wochen auffallend zurückhaltend war und sich schließlich in Teilen am Staatsstreich beteiligte, kam es bereits einen Tag nach dem Putsch gegen Morales zu Einsätzen mit Schusswaffen gegen Demonstrierende, so in Cochabamba und El Alto. Mehrere Menschen wurden schwer verletzt, darunter ein Kind. Auch organisierte Gruppen Oppositioneller sollen an den Attacken beteiligt gewesen sein.
Laut Medienberichten gehen Soldaten und Polizisten jetzt gemeinsam mit massiver Gewalt gegen Anhänger von Morales vor, die an zahlreichen Orten gegen den Putsch protestieren. Unter anderem sollen am Montagabend indigene Gemeinden in La Paz und El Alto aus Militärhubschraubern beschossen worden sein, dabei habe es sechs Tote und mehr als 30 Verletzte gegeben. Ein Demonstrationszug mehrerer Tausend Morales-Anhänger von El Alto zum Parlament in La Paz wurde am Dienstag von Soldaten und Polizisten eskortiert, während zugleich Kampfjets im Tiefflug Präsenz zeigten.
Die Ombudsbehörde des Landes hat inzwischen den Tod von vier Personen bestätigt, drei von ihnen starben an Schussverletzungen.
In seinem Rücktrittsschreiben richtet sich Zavaleta auch an die Oppositionsführer Carlos Mesa, den unterlegenen Kandidaten bei den Präsidentschaftswahlen am 20. Oktober, und Fernando Camacho, den Vorsitzenden des Bürgerkomitees von Santa Cruz: „Die Verantwortung dafür, die Waffen gegen das Volk zu richten, fällt auf die zurück, die diese Entscheidung getroffen haben.“
Nach den Übergriffen der vergangenen Tage gegen MAS-Mitglieder und die indigene Bevölkerung hatte Evo Morales Camacho und Mesa aufgefordert, „dieses Massaker zu beenden und die Demütigung einfacher Menschen zu stoppen“. In seiner Amtszeit habe er die Streitkräfte „nie angewiesen, auf die Straße zu gehen, um das Volk zu unterdrücken“, wie es nun 24 Stunden nach seinem Rücktritt geschehe. Das Militär rief er kurz vor der Abreise nach Mexiko auf, „seine Hände nicht mit dem Blut des Volkes zu beflecken“.
Unterdessen ist Morales „nach diplomatischen Komplikationen jeder Art“ mit seinem Vize Álvaro García Linera und der früheren Gesundheitsministerin Gabriela Montaño am Dienstag Nachmittag in Mexiko-Stadt eingetroffen. Dort wurden sie von Außenminister Marcelo Ebrard begrüßt. Offenbar hatten Peru und Ecuador den Luftraum für die Maschine gesperrt, sodass zunächst nur der Weg über Paraguay und Brasilien blieb. Letztlich habe Ecuador zugestimmt, den Überflug eines kleinen Teil seines Territoriums in Richtung internationale Gewässer zuzulassen. Ebrad berichtete von „sehr spannungsgeladenen Momenten“ vor dem Abflug in Bolivien, weil die Zuständigkeiten unklar waren.
In einer kurzen Ansprache vor Medienvertretern erklärte Morales: „Wir haben beschlossen zurückzutreten, damit es kein Blutvergießen mehr gibt, keine Konfrontationen mehr. Der Präsident von Mexiko hat mir das Leben gerettet. Wir sind sehr dankbar.“ Er werde politisch aktiv sein und kämpfen, solange er lebe, sagte der erste indigene Präsident Boliviens. Den Putsch bezeichnete er als „eine weitere Lektion, um zu lernen und den Kampf der Völker Boliviens und der Welt zu stärken“.
Quelle: amerika21.de