Zum 1. September 1957 rief der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB)
erstmals zum Antikriegstag auf. Das gewählte Datum entspricht dem
Jahrestag des Beginns des 2. Weltkrieges, des Überfalls Nazi-
Deutschlands auf Polen am 1. September 1939. Der weltumspannende
Krieg des Deutschen Reiches, zielte einerseits auf die Schaffung einer
deutsch dominierten westeuropäischen Wirtschaftsgemeinschaft ab,
einer, wie die Nazis es nannten, „europäischen Großraumwirtschaft
unter deutscher Führung“, und andererseits auf die geopolitische
Einflussnahme in Osteuropa, insbesondere auf den Zugang zu
Rohstoffquellen, im totalen Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion.
Es war ein reaktionärer Krieg der deutschen Industriellen und Bankiers,
der nicht nur nach außen zielte, sondern auch auf die Zerschlagung der
Arbeiterbewegung und Demokratie im Innern. Das Motto des
Antikriegstages wurde der Friedensbewegung der 20er Jahre
entnommen: „Nie wieder Krieg!“ Es galt damals und es gilt heute – in
Anbetracht der ungeheuren Gefahr eines atomaren, 3. Weltkrieges – erst
recht!
„Nie wieder Krieg!“ – an dieser grundlegenden Lehre zweier Weltkriege,
die beide voll und ganz Deutschland zu verantworten hatte, wird seit
einigen Jahren gesägt. So erklärte Bundespräsident Frank-Walter
Steinmeier in seiner Rede zum 75. Jahrestag der Befreiung am 8. Mai
2020: „‚Nie wieder!‘, es bedeutet für uns Deutsche vor allem: ‚Nie wieder
allein!‘“ Was sagt der Bundespräsident da? Er sagt in aller Klarheit, dass
Krieg „für uns Deutsche“ wieder eine Option ist -, nur eben nicht mehr
allein, wie 1914 und 1939, sondern heute gemeinsam mit NATO- und
EU-Partnern. Um den erneuten Weltmachtanspruch endlich auch wieder
militärisch behaupten zu können, soll die Bundeswehr zur
„schlagkräftigsten Armeen in Europa“ gemacht werden, wie Christian
Lindner am 28. Februar verkündete. Hierzu werden historisch
beispiellose Kriegskredite in Höhe eines 100-Mrd.-€-Sondervermögens
im Grundgesetz verankert und der reguläre Rüstungshaushalt auf 2%
des BIP nahezu verdoppelt. Wir erinnern uns: Nach dem Krieg haben
die Siegermächte in den Potsdamer Verträgen eigentlich eine
Entmilitarisierung Deutschlands angestrebt um sicherzustellen, dass
von deutschem Boden nie wieder Krieg ausgehen kann. Damit wurde bereits mit der Remilitarisierung und der Gründung der Bundeswehr
durch ehem. Wehrmachtsoffiziere in den 50ern Schluss gemacht. Und
wer weiß denn heute schon noch – nach den verbrecherischen
Angriffskriegen gegen Jugoslawien und Afghanistan -, dass die
Bundeswehr ursprünglich einmal einen reinen Verteidigungsauftrag
hatte? Seit Kriegsende 1945 wurde kontinuierlich daran gearbeitet
Deutschland wieder zur kriegsfähigen und Krieg führenden Macht zu
machen.
Heute ist Deutschland längst Dreh- und Angelpunkt des NATO-
K r i e g e s a n d e r s o g . O s t f l a n k e . M i t Wa f f e n l i e f e r u n g e n
geheimdienstlicher und logistischer Unterstützung sowie der Ausbildung
ukrainischer Soldatinnen und Soldaten hat auch Deutschland
völkerrechtlich den gesicherten Bereich der Nichtkriegsführung längst
verlassen.
Aus den leidvollen Erfahrungen der Geschichte ergibt sich für die
Bundesrepublik Deutschland, als völkerrechtliche Nachfolgerin des
D e u t s c h e n R e i c h e s , e i n e b e s o n d e r e Ve r a n t w o r t u n g z u r
Friedenssicherung in der Welt. Gerade vor dem Hintergrund des
kriegerischen Konfliktes in der Ukraine liegt es in der Verantwortung der
Bundesregierung nach diplomatischen Lösungen zu suchen. Nicht der
Mangel an Militär und Waffen haben zur heutigen Situation in der
Ukraine geführt, sondern der Mangel an Vereinbarungen über eine
gemeinsame Sicherheit. Ein gemeinsames europäisches
Sicherheitssystem unter gleichwertiger Berücksichtigung der legitimen
Sicherheitsinteressen aller beteiligter Staaten auf Augenhöhe ist die
historische Notwendigkeit. Kalte-Kriegs-Ideologie und Blockdenken
müssen überwunden werden. Wir brauchen Friedenssicherung durch
Abrüstung und Stärkung der internationalen Institutionen!
Die Friedensbewegung bleibt dabei: Nie wieder Krieg! -, und zwar
OHNE EINSCHRÄNKUNG! Krieg darf niemals eine Option sein, auch
nicht, wenn vermeintliche „Partner“ oder „Verbündete“ mitziehen!
Jens Karny