Initiative „abrüsten statt aufrüsten“

Wir brauchen das Geld für Investitionen im Sozialen, der Umwelt, der Wissenschaft und für Bildung! Deswegen Abrüstung!

In der Woche beginnend mit dem 7.12.2020 soll der Bundeshaushalt für 2021 verabschiedet werden. Der „Verteidigungshaushalt“ soll erneut um 2,6% steigen, 50 Milliarden Euro für Rüstung drohen!

Wir wollen eine Umkehr zu Entspannungspolitik und Abrüstung.

Deswegen rufen wir – die Initiative „abrüsten statt aufrüsten“ – zum bundesweiten Aktionstag am 5.12.2020 auf.

„Initiative „abrüsten statt aufrüsten““ weiterlesen

Gedenken an die Reichspogromnacht am 9.November

Alternativer Stadtrundgang und Gedenkfeier – leider abgesagt

14-ca. 15.45h  (Beginn vor dem Rathaus, Ende am Feuerwehrhaus)

201108_Wegstrecke_Stadtrundgang-1

 

16h Beginn der Gedenkfeier am Feuerwehrhaus:

In der Nacht vom 9, auf den 10. November 1939 zündeten Nazihorden  bruchsals Synagoge an…

  • Rede vom Günter Majewski (ca. 10 min)
  • Gedichte von Schüler*innen des SBG zur Pogromnacht
  • Rede der Oberbürgermeisterin (ca. 10 min)

Musikalische Umrahmung .

Der Förderverein Haus der Geschichte der Juden Badens wird ein Informationsblatt zu den Ereignissen am 9.11.38 in Bruchsal verteilen.

 

 

Wisst Ihr nicht, dass man das nicht darf

Rede bei der Gedenkstunde zur Bruchsaler Synagoge am 9.11.2017
von Rainer Kaufmann

Zunächst vielen Dank den Initiatoren dieser Gedenkstunde, der Friedensbewegung, dass sie mich eingeladen hat, hier ein paar Gedanken beizusteuern. Ich spreche nicht für mich, ich weiß aus vielen Gesprächen, dass es viele Leute in Bruchsal gibt, die ebenso denken. Und ich weiß, dass es außerhalb von Bruchsal ja außerhalb Deutschlands einige Menschen gibt, die in den nächsten Monaten mit Interesse verfolgen, was hier an diesem Ort geschehen soll.

Dieser Platz ist ja wirklich eine einzigartige Situation vielleicht für ganz Deutschland: Hier stand die jüdische Synagoge, die in der Nacht zum 10. November 1938 abgefackelt wurde und die Bruchsaler Feuerwehr griff nicht ein, weil im Hydrant angeblich kein Wasser war. In den 50-er Jahren hat die Stadt das Gelände von der Jewish Restitution Successor Organisation gekauft und keine 20 Jahre nach der Vernichtung der Synagoge ausgerechnet hier ein Feuerwehrhaus gebaut. Was für eine historische Gedankenlosigkeit. Man könnte es auch Verantwortungslosigkeit nennen.

Nach den Recherchen von Rolf Schmitt gibt es noch vielleicht eine Handvoll ähnlicher Fälle in Deutschland. Allerdings ist uns bis heute kein Fall bekannt, dass es sich dabei um eine der rund 1.000 Synagogen handelte, die in der Reichsprogromnacht ohne Schutz der Feuerwehr abgebrannt wurden. In den wenigen anderen Fällen wurden die Synagogen nach dem Krieg erst abgerissen. Und einige der fragwürdigen Nachkriegs-Nutzungen wurden mittlerweile in eine Gedenk- oder Begegnungsstätte umgewidmet.

In den 80-er Jahren hatte ich angeregt, zum Gedenken an die frühere Synagoge wenigstens ein einziges Mal ein Klezmer-Konzert in der Fahrzeughalle des Feuerwehrhauses veranstalten zu dürfen. Das wurde abgelehnt mit der Begründung: die Feuerwehr müsse ständig einsatzbereit sein. Dass damals aber jährlich einmal ein großes Feuerwehrfest in der Halle und hier auf dem Vorgelände stattfand, was die Einsatzfähigkeit der Feuerwehr offensichtlich nicht behinderte, wurde großzügig übersehen. Das eigentlich Unmögliche durfte auf keinen Fall auch noch thematisiert werden. Den Vorschlag eines Klezmer-Konzertes im Feuerwehrhaus wiederhole ich hier und heute ausdrücklich.

Diese Gedenktafel wurde auch sehr spät erst angebracht, im Jahr 1999, nachdem sich eine Schülergruppe aus dem Paulusheim als erste Gruppierung in der Stadt der Geschichte der Synagoge angenommen hatte. Vor ein paar Wochen noch war diese Tafel fast völlig mit Wildwuchs zugewuchert und damit auch die bescheidene Erinnerung an die Geschichte dieses Ortes. Fast schon symbolhaft. Nach einer eher lauen Facebook-Diskussion wurde der Wildwuchs rasch beseitigt. Von alleine ist das in dieser Stadt und ihrer Verwaltung niemandem aufgefallen.

Die Feuerwehr wird in ein oder zwei Jahren umziehen und dann wird dieses innerstädtische Filet-Grundstück frei. Die Frage ist: Wird Bruchsal dann die Größe aufbringen und diese einmalige Nachkriegssituation – auch ein Stück unserer Geschichte – für alle Zeiten dokumentieren oder wird das Feuerwehrhaus einfach platt gemacht, um das Grundstück einer optimierten kommerziellen Nutzung zuführen zu können. Es gibt einige Initiativen, etwa die des Vereins zum Erhalt historischer Gebäude oder die von Gerhard Holler oder Rolf Schmitt. Und es gibt ein paar konkrete Vorschläge. Ich möchte jetzt nicht den Eindruck erwecken, als seien das meine Vorschläge, sie wurden mir aber zugetragen, damit ich sie hier und heute vortrage. Wie wäre es, zumindest die Garagen so zu lassen, wie sie sind, um darin eine Begegnungsstätte für Amateur-Ensembles unterzubringen? So etwas bräuchte man in Bruchsal. Oder das Stadtmuseum, das im Schloss ein kümmerliches Randdasein fristet. Die entsprechende Immobilien-Nutzung des Areals kann jederzeit über den Garagen stattfinden. Wer die Elbphilharmonie statisch hinkriegt, müsste auch dieses leisten. Und wenn man dann noch eine Etage über den Garagen retten könnte: Wo wäre das Stadtarchiv denn sinnvoller untergebracht als hier, eventuell sogar mit einem besonderem Teil-Archiv, das der jüdischen Bevölkerung dieser Stadt gewidmet ist.

Mitte der 80-er Jahre kam ich in Kontakt mit einem amerikanisch-jüdischen Anwalt aus New York: Paul Schrag. Adresse und Telefonnummer hatte ich vom Heidelsheimer katholischen Stadtpfarrer Paul Kallenbach, einem Ur-Bruchsaler aus der Stadtgrabenstraße und Jugendfreund meiner Eltern. Er hatte irgendeinen privatrechtlichen Streit in New York auszufechten, flog hin und verpflichtete Paul Schrag als seinen Anwalt.

Nicht von ungefähr. Denn Paul Kallenbach kannte Paul Schrag wohl seit ihrer gemeinsamen Jugendzeit. Schrag war Sohn eines Karlsruher Anwalts. 1938 konnte dieser mit seiner Familie noch rechtzeitig in die Staaten auswandern. Ein Teil der Familie Schrag lebte in Bruchsal, wo Paul Schrag regelmäßig seine Sommerferien verbrachte. Schrags Onkel war Mitbesitzer der Malzfabrik „Schrag und Söhne“ in der unteren Kaiserstraße, heute Möbel Fuchs. Er überlebte im Untergrund in Amsterdam, Paul Schrag vertrat ihn dann nach dem Krieg als Anwalt.

Schrag veröffentlichte im Jahr 1979 im Münchner Kindler-Verlag das Buch „Heimatkunde – die Geschichte einer deutsch-jüdischen Familie“. Das Buch ist zu großen Teilen Bruchsaler Heimatgeschichte, die Geschichte der Malzfabrik „Schrag und Söhne“ und ihrer Arisierung. Die Badische Landesbühne zeigte im Jahr 1981 deshalb auch eine eindrucksvolle Bühnenfassung. Schrag schrieb später noch „Die Geschichte vom Herrn Rath“, die zweifelsohne auch einige Bruchsaler Ereignisse dieser Zeit widerspiegelt und die von der BLB im Jahr 2010 in einer ebenfalls mehr als eindrucksvollen Lesung aufgeführt wurde. Die Geschichte vom Herrn Rath, von Schrag in Deutsch verfasst, wurde lange nach dessen Tod von Rolf Schmitt in den USA ausgegraben und auf der Webseite bruchsal.org publiziert. Paul Schrag verstarb im Jahr 1992. Seine Frau Suzanne ist jetzt 106 Jahre alt und erfreut sich „reasonable health and memory“, wie mir ihr Sohn im Frühjahr per e-mail mitteilte. Sie wird wohl, wenn sich an diesem Befund nichts geändert hat, am 29. November ihren 107. Geburtstag feiern können.

Mit diesem Paul Schrag also hatte ich in den 80-er Jahren telefonischen Kontakt, bei dem er mir ankündigte, demnächst Deutschland zu besuchen. Wir verabredeten uns zum Abendessen in Baden-Baden, wo er sein Quartier hatte. Schrag erzählte mir gleich zu Beginn unseres Gesprächs, er sei am Vormittag erstmals seit seiner Auswanderung wieder in Bruchsal gewesen, habe natürlich den Platz der ehemaligen Synagoge gesucht und darauf ausgerechnet ein Feuerwehrhaus vorgefunden. Obwohl er um mein Alter (Jahrgang 1950) wusste, schaute er mich lange schweigend und mit vorwurfsvollem, fast verzweifelten Blick an, um dann zu sagen: „Wisst Ihr nicht, dass man das nicht darf!“ Wisst Ihr nicht, dass man das nicht darf. Diesen Satz habe ich bis heute nicht vergessen. Und das, was man nicht darf, ist bis heute Realität in Bruchsal. Ohne jede Diskussion. Es ist halt so.

Und gleich danach kam er mit einer weiteren Geschichte: Schrag besuchte auch den jüdischen Zentralfriedhof auf dem Eichelberg, der damals noch frei zugänglich war. Als er gerade dabei war, ein Grab seiner Vorfahren zu suchen, hörte er von der benachbarten Eichelberg-Kaserne Maschinen-Gewehr-Salven, Standortschießanlage. „Wisst Ihr nicht, dass so etwas schmerzt?“ Dabei hatte Schrag überhaupt nichts gegen Bundeswehr und NATO. Nur: an dieser Stelle, die er, wie auch Bruchsal, nie wieder in seinem Leben werde besuchen wollen, tat es eben unendlich weh. Der Rest des Abends war ein wirklich angenehmes Gespräch vor allem über sein Buch Heimatkunde und seinen Onkel und dessen Malzfabrik.

Ich fühle mich diesem wirklich ungemein freundlichen und liebenswerten Menschen – so habe ich Paul Schrag an diesem Abend in Baden-Baden erlebt – verpflichtet, wenn ich hier und heute im Namen vieler Gleichgesinnter die Stadt und den Gemeinderat auffordere, eine Lösung für dieses Areal zu finden, die diese Geschichte – Feuerwehrhaus und Synagoge – nicht per Abriss wegbaggert. Denn die Gedankenlosigkeit der Nachkriegszeit muss der Nachwelt erhalten bleiben. Irgendeine Erinnerungstafel, die man dann jederzeit überwuchern lassen kann, geht eigentlich nicht. Und es geht auch nicht, dass Stadtplaner und Architekten – meist unter dem Druck wirtschaftlicher und kommerzieller Sachzwänge – alleine entscheiden, was wir mit den baulichen Zeugen unserer Geschichte machen. Geschichte, das heißt Geschichtsschreibung, kann nur werden, was wir an Quellen und Zeugnissen der Nachwelt hinterlassen.

Planer sind es eigentlich gewohnt, Vorgaben umzusetzen, wenn sie ihnen denn gemacht werden. Ein Beispiel: Die Wohnbebauung am Bleichweg gleich neben der früheren Malzfabrik Schrag und Söhne. Zitat aus der Bruchsaler Rundschau nach einer Gemeinderatsdebatte: Am Ende war man sich weitgehend einig, dass man die Entscheidung jedenfalls nicht dem Investor alleine überlassen dürfe und legte sich – und damit die Planer – auf die zwei Punkthäuser fest.“ Der Gemeinderat hat sich damals einem neunstöckigen Wohnturm, den der Investor wollte, widersetzt. Dieses Beispiel einer politischen Vorgabe für die Planung kann hier an diesem Platz wiederholt werden, wenn der politische Wille da ist.