Berlin schließt sich den US-Unterstellungen gegen China zum Ausbruch der Covid-19-Pandemie an.
BERLIN (german-foreign Bericht) – Die Bundesregierung schließt sich der US-Verdächtigungskampagne gegen China bezüglich des Ausbruchs der Covid-19-Pandemie an. US-Präsident Donald Trump hatte am Wochenende geäußert, sollte die Volksrepublik „wissentlich verantwortlich“ für die Ausbreitung der Pandemie sein, müsse es „Konsequenzen“ geben. Gleichzeitig streut Washington gezielt Gerüchte, das Virus könne in einem chinesischen Labor entstanden sein. Während Wissenschaftler den Verdächtigungen entschieden widersprechen, erklärt Außenminister Heiko Maas, er wolle „nicht ausschließen“, dass sich die WHO mit den Vorwürfen zu befassen habe. Am gestrigen Montag forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel Beijing zu „Transparenz“ in der Sache auf. Hochrangige deutsche Militärs fordern in jüngster Zeit, die EU müsse „eine gemeinsame politisch-strategische Antwort“ auf Chinas Erstarken finden; Beijing gewinne in der Coronakrise erheblich an Einfluss. In Italien stuft mittlerweile laut einer aktuellen Umfrage mehr als die Hälfte der Bevölkerung China als „Freund“ ein, fast die Hälfte hingegen Deutschland als „Feind“.
Gezielte Gerüchte
Die Bundesregierung schließt sich, wenngleich leicht abgeschwächt, der neuen Kampagne der Trump-Administration gegen China an. US-Präsident Donald Trump hatte am Wochenende behauptet, das Virus „hätte in China gestoppt werden können“; sollte die Volksrepublik für seine Ausbreitung „wissentlich verantwortlich“ sein, „dann sollte es Konsequenzen geben“.Parallel werden in den Vereinigten Staaten gezielt Gerüchte gestreut, das Covid-19-Virus könne in einem chinesischen Labor – womöglich in einem Biowaffenlabor – erzeugt worden sein. Aus der US-Regierung heißt es, man schließe dies nicht aus; US-Geheimdienste seien zur Zeit mit der Sache befasst. Spätestens seit der Lüge über angebliche irakische Massenvernichtungswaffen muss ein solcher Hinweis als Drohung aufgefasst werden, bei Bedarf eine Legitimation für neue Aggressionen zu schaffen. Belege für eine etwaige Herkunft des Virus aus einem Labor gibt es nicht; wissenschaftliche Studien kommen klar zu dem Schluss, es sei durch Übertragung von Wildtieren zum Menschen gelangt.[
Offen für Verdacht
Berlin gibt sich offen für die gänzlich unbelegten Verdächtigungen. So wird Außenminister Heiko Maas mit der Aussage zitiert, er wolle „nicht ausschließen“, dass sich „die WHO mit diesen Fragen auseinandersetzen muss“.Entwicklungsminister Gerd Müller erklärt, die Volksrepublik müsse „vollkommene Offenheit“ zeigen – „gerade was den Ursprung des Virus angeht“. Bereits in der vergangenen Woche hatten auch deutsche Medien ihre Schuldzuweisungen an China für den Ausbruch der Covid-19-Pandemie verstärkt und China als deren „Verursacher“ bezeichnet. In der Springer-Presse wurde gar die Forderung nach „Schadensersatz“ laut – unter der Überschrift: „Was China uns jetzt schon schuldet“ (german-foreign-policy.com berichtete ). In ähnlicher Weise äußern sich führende Politiker aus Großbritannien und Frankreich. Während der britische Außenminister Dominic Raab bereits mehrfach erklärt hat, China werde sich wegen der Covid-19-Pandemie zu verantworten haben, hat sich zuletzt auch der französische Präsident Emmanuel Macron der Kampagne angeschlossen. Es gebe „eindeutig“ Dinge, erklärte er mit Bezug auf den Ursprung der Pandemie, die in China geschehen seien, „von denen wir nichts wissen“. Zwar ist nicht wirklich ersichtlich, wie Macron wissen kann, dass etwas existiert, von dem er nichts weiß; deutlich ist allerdings seine Absicht, Beijing unter Verdacht zu stellen.
„Ein verheerendes Bild“
Aufschluss über die Hintergründe der deutsch-europäischen Beteiligung an der neuen Kampagne der Trump-Administration gegen China lässt sich aus aktuellen Stellungnahmen deutscher Militärs gewinnen. So befasst sich etwa ein neues Arbeitspapier der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS) mit möglichen weltpolitischen Folgen der Covid-19-Pandemie. Darin weist der Autor – Brigadegeneral a.D. Armin Staigis, von 2013 bis 2015 BAKS-Vizepräsident, jetzt Vorsitzender des BAKS-„Freundeskreises“ – darauf hin, dass die USA, „der bisher wichtigste Partner der EU“, „im globalen Kontext erodieren“. China hingegen melde sich mehr und mehr „auf der Weltbühne“: „Es drängt mit seiner ökonomischen Macht bis auf den europäischen Kontinent und wird dadurch … auch politischer Rivale“. Die EU dürfe „nicht zum Spielball werden“ von Staaten wie Russland („Revanchisten“), den USA („vom Kurs abgekommene Egozentriker“) oder auch China („hungrige Aufsteiger“). Vor allem auf das Erstarken der Volksrepublik müsse „eine gemeinsame politisch-strategische Antwort der EU … erst noch gefunden werden“. Das gelte umso mehr aufgrund der politischen Entwicklung in der Coronakrise: „Öffentlich wird perzipiert, dass China schneller und hilfreicher in Europa unterstützt als die EU und ihre Mitgliedstaaten untereinander.“ Das aber sei „ein verheerendes Bild“.
Wettlauf der Weltwirtschaftsmächte
Ähnlich hat sich Ende vergangener Woche Oberst i.G. Matthias Rogg geäußert, Co-Vorstand des German Institute für Defence and Stategic Studies (GIDS), des 2018 gegründeten Think-Tanks der Bundeswehr. Rogg geht davon aus, dass China im Verlauf der Coronakrise international ganz klar an Einfluss gewinnen wird: „Das betrifft den wirtschaftlichen Aufbau von Staaten, zum Beispiel im Nahen Osten oder auch in Afrika, die noch nicht sichtbar von der Epidemie betroffen sind, aber mit Sicherheit direkt oder indirekt von Corona schwer getroffen werden dürften.“[8] Dort werde sich die Volksrepublik „durch finanzielle, aber auch durch materielle Hilfe“ neuen Einfluss sichern können. Dabei dürfe man „nicht vergessen“, dass vollkommen unklar sei, „wie die USA aus dieser Krise wirtschaftlich hervorgehen werden“: „Das heißt, im Wettlauf der Weltwirtschaftsmächte ist davon auszugehen, dass China … die Nase vorn hat und am Ende zu den Krisengewinnern gehört.“ Das wiege schwer – denn schließlich habe man es bei China, das beispielsweise in Italien „sofort Hilfe angeboten“ habe, „de facto mit [einem] Systemkonkurrenten zu tun“.
Der Feind Nummer eins
Welchen Problemen deutsche Machtstrategen aktuell gegenüberstehen, zeigt eine aktuelle Umfrage aus Italien; sie lässt erahnen, dass die Verdächtigungskampagne gegen China auch auf Wirkung in Europa zielt. Bereits Mitte März hatte sich gezeigt, dass rund zwei Drittel der Italiener mittlerweile die Mitgliedschaft ihres Landes in der EU für nachteilig halten. Lediglich vier Prozent waren der Auffassung, die Union leiste Italien in der Coronakrise genügend Unterstützung. Jetzt stellt sich heraus, dass nach den jüngsten chinesischen Covid-19-Hilfslieferungen 52 Prozent der italienischen Bevölkerung China als „Freund“ Italiens einstufen; 32 Prozent sehen Russland, das ebenfalls Hilfe leistete, als „Freund“, nur 17 Prozent hingegen die Vereinigten Staaten. Unter den Ländern, die in der Umfrage als „feindlich“ gegenüber Italien bezeichnet werden, nimmt den ersten Platz – mit stolzen 45 Prozent – Deutschland ein.
Quelle: german-foreign (Originaltext)