Sebelrasseln…Immer noch nicht genug?

Novembertrommeln

BERLIN (German-foreign Bericht) – Vor den morgigen öffentlichen Gelöbnissen der Bundeswehr fordern führende deutsche Politiker eine aggressivere Außen- und Militärpolitik Berlins und der EU. „Europa“ müsse dringend die „Sprache der Macht lernen“, fordert die designierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen; es gelte nicht zuletzt militärisch „eigene Muskeln“ aufzubauen. Außenminister Heiko Maas stellt die Schaffung eines „Europäischen Sicherheitsrates“ in Aussicht – unter Einbeziehung Großbritanniens, auf dessen Streitkräfte die angestrebte „Armee der Europäer“ nicht verzichten soll. Gleichzeitig werden neue milliardenschwere Rüstungsprojekte verabschiedet. So hat der Haushaltsausschuss des Bundestags Mittel von mehr als einer halben Milliarde Euro genehmigt, die unter anderem der NATO-„Speerspitze“ zugute kommen sollen. Das trifft auch auf die 80 Kampfpanzer des Typs Leopard 2A7V zu, die der Bundestags-Wehrausschuss beschaffen will – für rund eine Milliarde Euro. Um die Zustimmung für Auslandseinsätze der Bundeswehr zu erhöhen, ruft die Bundeskanzlerin zur Unterstützung der morgigen Gelöbnisse auf.

Die Sprache der Macht

Nach der Ankündigung von Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer in der vergangenen Woche, die Einsätze der Bundeswehr auszuweiten, legen führende deutsche Politiker nach und fordern energisch eine aggressivere Außen- und Militärpolitik Berlins und der EU. So behauptete die designierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Freitag in einer Rede vor der Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU) in der deutschen Hauptstadt, „Soft power allein“ reiche „heute nicht mehr aus“: „Europa muss auch die ‚Sprache der Macht lernen‘.“ Einerseits gelte es deshalb, „eigene Muskeln … in der Sicherheitspolitik“ aufzubauen; andererseits müsse die Union mit „Blick auf die äußeren Interessen Europas strategischer werden“. Laut Planungsstand wird die Kommission unter von der Leyen die Aufrüstung in der EU mit zweistelligen Milliardensummen vorantreiben. Bei den „militärischen Spitzenfähigkeiten“ bräuchten die EU-Mitglieder „das gesamte Spektrum an land-, luft-, weltraum- und seeseitigen Fähigkeiten“, ist zur Erläuterung in der „Globalen Strategie“ der Union zu lesen, die 2016 verabschiedet wurde. Kritiker weisen seit je darauf hin, dass die Finanzierung militärischer Ausgaben aus den Brüsseler Töpfen laut den EU-Verträgen unzulässig ist. Der Hinweis ist vergeblich.

Im Zentrum der Ratspräsidentschaft

Am gestrigen Sonntag ist auch Außenminister Heiko Maas mit neuen Forderungen hervorgetreten. Maas richtete sich in einem Medienbeitrag zunächst gegen die scharfe Kritik des französischen Präsidenten Emmanuel Macron an der NATO. Macron hatte das Kriegsbündnis in einem Interview für „hirntot“ erklärt. Maas wies demgegenüber darauf hin, „ohne die Vereinigten Staaten“ seien „weder Deutschland noch Europa im Stand, sich wirkungsvoll zu schützen“; deshalb sei „eine Entkopplung“ von den USA „gefährlich“: „Auf viele Jahre werden wir die NATO brauchen.“ Einig war sich Maas mit Macron freilich darin, es sei entschlossen ein „starke[s] und souveräne[s] Europa“ anzustreben. Frankreichs Präsident hatte behauptet, „Europa“ werde, „wenn es sich nicht als globale Macht begreifen kann, verschwinden“. Der deutsche Außenminister teilte nun mit, er arbeite mit seinem französischen Amtskollegen an der „Idee“, einen „Europäischen Sicherheitsrat“ zu etablieren; das gehöre für ihn – als eine „wichtige Orientierungsmarke am Horizont“ – „ins Zentrum der deutschen Ratspräsidentschaft“ im zweiten Halbjahr 2020. In den Europäischen Sicherheitsrat eingebunden werden müsse trotz des Brexits auch Großbritannien.

Milliarden für den Krieg

Im Windschatten der Berliner Propagandaoffensive für eine aggressivere Außen- und Militärpolitik sind in den vergangenen Tagen mehrere voluminöse Aufrüstungsvorhaben für die Bundeswehr beschlossen worden. Bereits am Mittwoch hat der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages Rüstungsprojekte im Wert von 560 Millionen Euro gebilligt. Demnach können nun bis zu 2.200 ergänzende „Führungsausstattungen“ gekauft werden, mit denen dem Verteidigungsministerium zufolge „die Gefechts-, Führungs- und Unterstützungsfahrzeuge sowie die verlegbaren Führungseinrichtungen“ in einen „digitalen Informations- und Kommunikationsverbund“ integriert werden sollen.[6] Die Geräte werden zunächst für die NATO-„Speerspitze“ (Very High Readiness Joint Task Force, VJTF) benötigt und kosten mehr als 115 Millionen Euro. Fast 300 Millionen sind für 50 Lenkflugkörper des Typs Patriod PAC-3 MSE vorgesehen; rund 73 Millionen sind für die Überholung von 196 Kleinpanzern des Typs Wiesel eingeplant. Darüber hinaus verlangt der Verteidigungsausschuss des Bundestages die Beschaffung von 80 zusätzlichen Kampfpanzern des Typs Leopard 2A7V. Auch diese werden für die VJTF benötigt, in der die Bundeswehr aktuell die Führung innehat und diese im Jahr 2023 erneut übernehmen soll. Mit den neuen Fahrzeugen stiege die Zahl der Kampfpanzer, über die die deutschen Streitkräfte verfügen, auf über 400. Die Kosten werden mit rund einer Milliarde Euro beziffert.

Klarheit schaffen

Die Propagandaoffensive und die neuen Aufrüstungsbeschlüsse gehen der öffentlichen Vereidigung von Rekruten voraus, die die Bundeswehr am morgigen Dienstag in Plön (Schleswig-Holstein), Stralsund (Mecklenburg-Vorpommern), Rotenburg/Wümme (Niedersachsen), Freyburg (Sachsen-Anhalt), Mainz (Rheinland-Pfalz) und Berlin abhalten wird. Für den 18. November ist ein weiteres öffentliches Soldatengelöbnis in München angekündigt. Die Veranstaltungen werden auf Initiative der Verteidigungsministerin durchgeführt. Kramp-Karrenbauer hatte am 24. Juli im Reichstag in ihrer Regierungserklärung mitgeteilt, sie habe allen Ministerpräsidenten der Bundesländer den 12. November, den Gründungstag der Bundeswehr im Jahr 1955, nahegelegt: Öffentliche Gelöbnisse seien „ein starkes Signal und ein starkes Zeichen der Anerkennung für unsere Soldatinnen und Soldaten“.In der Tat halten Berliner Politiker die bis heute nicht überwältigende Zustimmung in der Bevölkerung für Auslandseinsätze der Bundeswehr für ein Problem. Bevor etwa ein nationaler Sicherheitsrat beschließe, „gemeinsam mit anderen Europäern militärische Mittel einzusetzen“, müsse „unsere Gesellschaft in der Mehrheit dazu bereit sein“, erklärte am Wochenende der einstige Außenminister Sigmar Gabriel; davon sei man „noch weit entfernt“. Eine öffentliche Debatte könne „uns gut tun“, äußerte Gabriel, „und am Ende auch Klarheit schaffen“.

„Zeigen Sie Haltung!“

In diesem Sinne hat Bundeskanzlerin Angela Merkel am Wochenende zur Teilnahme an den öffentlichen Gelöbnissen aufgefordert. Sie wolle „einfach Danke“ sagen „an alle, die in der Bundeswehr dienen“, erklärte Merkel: „Sie leisten Großartiges.“ Die Veranstaltungen am 12. November stellten „eine gute Möglichkeit“ dar, „deutlich zu machen, dass die Bundeswehr Teil unserer Gesellschaft ist“. „Ich lade Sie, die Mitbürgerinnen und Mitbürger, ein“, rief die Kanzlerin auf: „Nehmen Sie daran teil, zeigen Sie Haltung, indem Sie dort sind oder aber ihre Unterstützung anderweitig zum Ausdruck bringen.“ Beim zentralen Gelöbnis in Berlin sollen gut 400 Rekruten vereidigt werden. Als Redner ist Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble angekündigt; die Veranstaltung findet vor der Kulisse des Reichstags statt. Der Eintritt ist lediglich auf Einladung möglich – wie das Verteidigungsministerium mitteilt, „aus Sicherheitsgründen“.