Staatsanwalt im Visier

 

Verschleppte Ermittlungen gegen Polizeibehörden im „NSU 2.0“-Skandal

 

 

 

Der Skandal um Verstrickungen hessischer Polizeibeamter in neofaschistische Netzwerke weitet sich auf andere Behörden aus. So wirft die Linksfraktion im Hessischen Landtag der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main vor, die Ermittlungen bezüglich des sogenannten NSU-2.0-Netzwerks verschleppt zu haben.

„Im Fall der NSU-2.0-Morddrohungen, die in Frankfurter und Wiesbadener Polizeirevieren abgerufene, nicht öffentlich zugängliche Daten enthalten, steht der Verdacht im Raum, dass Ermittlungen verschleppt worden sind und so der Beweisvernichtung Vorschub geleistet wurde. Hierfür ist die Frankfurter Staatsanwaltschaft verantwortlich“, sagte Ulrich J. Wilken, Rechtspolitischer Sprecher der Linksfraktion im hessischen Landtag.

Bei der Sondersitzung des Innenausschusses sei es im Fall der Morddrohungen gegen die Kabarettistin Idil Baydar angeblich acht Monate nicht möglich gewesen, die Bediensteten des 4. Reviers in Wiesbaden zu vernehmen, wo die Daten abgefragt worden waren. „Ebenso bizarr: Im Fall Janine Wissler sind außer einem Beamten die weiteren, für ein Abrufen persönlicher, nicht öffentlicher Daten in Frage kommenden Bediensteten des 3. Reviers in Wiesbaden nicht einmal vernommen worden“, so Wilken weiter.

Zugleich übte der Landtagsabgeordnete Kritik an Hessens Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU). Wilken erinnerte die Ministerin daran, dass die für die Ermittlung der Täter zuständige Staatsanwaltschaft ihrem Ministerium zugeordnet ist, was Kühne-Hörmann vergessen zu haben scheint.Es gehöre „zu den wenig erbaulichen Tatsachen, dass nicht nur Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) ganz offenkundig in seinem Amt überfordert ist“, so Wilken. Eine Justizministerin, die ihrer Aufsichtspflicht gegenüber den Staatsanwaltschaften nicht nachkomme, sei ebenso fehl am Platz.

Am Montag forderte auch der Vorsitzende des „Bundes Deutscher Kriminalbeamten“ (BDK), Sebastian Fiedler, gegenüber den „Stuttgarter Nachrichten“ Konsequenzen aus der „NSU 2.0“-Affäre und sprach sich für externe Ombudsstellen sowie Whistleblower-Hotlines aus, „damit verfassungsfeindliche Vorgänge aus dem Kollegenkreis herausdringen können“. In einigen Ländern gebe es zwar Polizeibeauftragte, doch seien diese eher dazu da, Beschwerden von Bürgern aufzunehmen. „Der Polizeibeauftragte, den ich befürworten würde, wäre einer, der – wie der Wehrbeauftragte – eine Innensicht hat und auch außerhalb des Dienstwegs niedrigschwellig Hinweise von Kollegen annehmen könnte“, sagte Fiedler dem Blatt.

Die „Zeit“ erhielt auf Fragen, die sie an „NSU 2.0“ mailte, die Antwort, „Wir sind ein Zusammenschluss heimattreuer Elitekämpfer“. Eine Verbindung zu den rechtsextremen Vorfällen bei der Eliteeinheit der Bundeswehr, dem Kommando Spezialkräfte (KSK), wäre für die Sicherheitsbehörden ein Albtraum, kommentiert das der „Tagesspiegel“.

Autor: Markus Bernhardt

2012 veröffentlichte er das Buch „Das braune Netz: Naziterror – Hintergründe, Verharmloser, Förderer“ über das faschistische Terrornetzwerk „NSU“ im PapyRossa Verlag Köln.

Laut einer dpa-Meldung liegen den deutschen Behörden Informationen über mindestens 400 rechtsextreme Verdachtsfälle bei Landes und Bundespolizei vor. Dabei zählten die Bundesländer seit 2014 340 rechtsextreme,  rassistische oder antisemitische  Verdachtsfälle, wie eine Umfrage  des Nachrichtenmagazins „Spiegel“bei den Innenministerien von Bund und Länder ergeben hat.